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Margaretha von Röhrenfurth

© Dorfgemeinschaft
Röhrenfurth

800 Jahre Röhrenfurth (1982)
Geschichte und Geschichten eines Dorfes
Aktualisierte Ausgabe

Margaretha von Röhrenfurth und Hermann Riedesel

Aus dem Leben Eckhards II. von Röhrenfurth ist eine ergreifende geschichtliche Begebenheit überliefert. Sie ist niedergeschrieben in einer Lebensbeschreibung über Ludwig den Friedsamen im Jahre 1784. Der Verfasser -von Günterode- zeigt sich hier nicht als nüchterner Chronist, sondern als ein sehr feinsinniger Geschichtsschreiber. Es wäre schade, wenn seine Erzählung der Vergessenheit anheimfiel. In Kurzform bringt sie das heimatliche Sagenbuch; sie findet sich auch bei Justi, „Denkwürdigkeiten" und Rommel, Geschichte von Hessen, 1823. Die nachfolgend ausführliche Wiedergabe von Günterode aber ist inhaltlich, in Form und Stil so sehr ansprechend und literarisch wertvoll, daß sie in der Schriftsprache des Verfassers wiedergegeben wird.

Margaretha von Röhrenfurth und Hermann Riedesel

Landgraf Ludwig war nicht von den steifen Fürsten, die nur Hoheit zeigen und Unterwürfigkeit sehen wollen. Er kannte die Bande der Freundschaft und der Erkenntlichkeit und bewirkte dadurch, daß man ihn gern Leib, Gut und Leben aufopferte. An diesen Fürsten Hof befand sich Hermann Riedesel, ein junger, rascher Ritter, dessen ganze Bildung so edel und so groß wie sein Herz war. Unerschrocken im Streit, überhaupt ein erfahrener Kriegsmann, der auch beredt, belesen, angenehm war und zärtliche Empfindungen seines Herzens in zierlichen Versen auszudrücken wußte. Krieger und schöne Mädchen blickten ihn gleich gefällig an, jene fürchteten ihn als Gegner und fochten gerne mit und unter ihm; junge Mädchen waren unter sich über seine Gunst eifersüchtig, jede wetteiferte um die Ehre, ihn zum Ritter zu haben. So war der Mann beschaffen, dem Landgraf Ludwig vorzüglich seine Freundschaft schenkte. Zu eben dieser Zeit lebte der letzte des alten Geschlechts von Röhrenfurth, welcher die Erbmarschallsstelle an dem hessischen Hofe begleitete. Dieser war ein alter, harter und stolzer Mann. Um desto sanfter war seine einzige Tochter Margaretha, die Zierde der hessischen Fräuleins, indem sie allgemein für die schönste erkannt ward. Hermann und Margaretha schienen von der Natur für einander bestimmt zu sein, sie liebten sich. Der Landgraf sah ihre gegenseitige Neigung mit Vergnügen und wünschte, seinen Freund glücklich zu sehen. Die Absichten des alten Erbmarschalls waren aber von ganz anderer Art, indem er mehr darauf dachte, sich einen großen Namen als seine Tochter glücklich zu machen, und er konnte aus mehreren Ursachen hoffen, seine Margaretha in ein mächtiges Haus zu vermählen, weswegen ihm also diese gegenseitige Neigung nicht anders als sehr unwillkommen sein konnte, er beschloß daher, der Sache auf einmal ein Ende zu machen. Dieses zu bewerkstelligen, nahm er den Ritter vom Hofe mit sich in einen einsamen Gang des Schloßgartens, stellte ihm vor, wie er schon lange die gegenseitige Neigung zwischen ihm und seiner Tochter beobachtet hätte; er aber sei Vater, sie könnten sich also ohne seine Einwilligung nicht verbinden, und diese würden sie nie erhalten. Hermann Riedesel war wie vom Donner gerührt, aber der Alte ließ es dabei noch nicht bewenden, er gebot ihm bei Ritterpflicht, von Margarethen gänzlich abzulassen, seiner Geliebten und niemand etwas von dieser Unterredung zu entdecken, sondern sie gänzlich geheim zu halten. Hierauf verließ er ihn eilig.
Der Ritter, welcher bei jeder Gefahr unerschrocken blieb, zitterte nun bei dem Kampfe mit sich selbst. Er kannte aber Ritterpflicht zu wohl, als daß er diese ihm auferlegte Bürde von sich hätte abwälzen wollen. Dieser Herzenszwang wirkte aber nun gar zu sehr auf seinen Körper, er fiel in die stärkste und gefährlichste aller Krankheiten, indem sie aus der Seele entsprang, und ward daher in kurzer Zeit unkennbar.
Landgraf Ludwig, der gewöhnt war, seinen Freund Riedesel öfters um sich zu sehen, erkundigte sich bald nach der Ursache seines Ausbleibens. Man hinterbrachte ihm den Zustand des Ritters; und sein für Freundschaft warmes Herz nahm den lebhaftesten Anteil an seines Freundes Kummer, er beschied ihn zu sich. Der Ritter schleppte seinen verfallenen Körper zum Landgrafen hin, welcher beim Anblick dieses Schattens seines Freundes erschrak, denn der blühende, lebhafte und starke Mann war in wenigen Tagen unerkennbar geworden, so sehr wirkten innere Leidenschaften auf den vergänglichen Körper. Bei dessen Anblick rief der Landgraf aus, indem er ihm mit offenen Armen entgegeneilte: „O mein Freund, was ist aus euch geworden?" Er umarmte ihn, und des Landgrafen teilnehmende Seele flößte neues Leben in Riedesels fast erloschenes Wesen. „Was fehlt euch? Vertraut mir euren Kummer und zählt auf meine Hilfe." Der Ritter, durch dieses freundschaftliche Betragen innigst gerührt, fällt dem Fürsten zu Füßen und -die Knie seines Wohltäters umfassend- ruft er aus: "O gnädigster Herr, wie kann ich euch all eure Wohltaten danken, und warum kann ich eure gnädige Teilnehmung nicht mit der Offenherzigkeit beantworten, die sie verdient, die ich euch mehr, als jemand anders schuldig bin? Ich habe schon so viele Beweise eurer Gnade empfangen, jetzt nur diesen noch." Schon freute sich des Fürsten edles Herz der Hoffnung, Riedesel einen neuen Freundschaftsdienst erweisen zu können. "Was ist's", ruft der Landgraf eilig aus, "laßt mich nicht lange in dieser quälenden Ungewißheit!" "Anders nichts, gnädigster Herr, als daß ihr nicht darauf dringen möchtet, die Ursache meiner Traurigkeit zu erfahren". Diese unerwartete Antwort des Ritters ließ den guten Fürsten zurückschaudern. „Wie?" rief er aus, „in eben dem Augenblick, da ich mich bemühen wollte, den Erbhofmarschall zu überreden, euch seine Tochter zu geben, muß ich euch in dieser traurigen Verfassung sehen?" Dieses Wort war ein neuer Donnerschlag auf des Ritters Herz, und er traute sich nun selbst nicht mehr. "O gnädigster Herr", rief er mit innigster Wehmut aus, „was muß ich hören? Laßt mich weit von hier, entfernt von ihren Blicken von den Blicken des gnädigsten Fürsten als ein unbescholtener Ritter sterben." So floh er mit dem heftigsten Drang des Herzens und ließ den gütigen Fürsten verwundert und entrüstet zurück. Der Landgraf kannte den Erbmarschall zu sehr, als daß ihm die Ursache des Kummers, welcher an Riedesel nagte, gänzlich verborgen hätte bleiben können. Er nahm sich vor, deshalb mit dem Alten zu sprechen. Unterdessen war Riedesel durch diesen rührenden Auftritt so sehr bewegt worden, daß er befürchtete, bei mehreren solchen nicht immer Meister über sich selbst bleiben zu können, auch konnte er in Kassel, dem Ort, wo er glücklich war, bei solcher Qual nicht leben. Er faßte daher den Entschluß, sich zu entfernen, und nur von einem Schildknappen gefolgt, ließ er Kassel weit hinter sich. Der Landgraf erfuhr die Flucht des Ritters mit der wehen Teilnehmung, die ein Freund bei des anderen Schicksals empfindet. 
„Die Lage des Fräuleins Margaretha von Röhrenfurth aberzu beschreiben, vermag mein schwacher Vortrag nicht, und welche Feder, welcher Mund oder welcher Maler ist vermögend, den stärksten Drang eines fühlenden Herzens getreu zu schildern? Wer vermags zu unternehmen, die glückliche Wonne eines liebenden Mädchens, die Zerstörung ihres Herzens bei unglücklicher wahrer Liebe zu beschreiben? Ihr, die ihr empfunden habt oder empfindet, schaut in den Spiegel eures Herzens, und ihr, deren Herzen immer kalt geblieben, wer wird so müßig sein, euch von Empfindung vorzuschwatzen, wer wird seinen Oden verlieren wollen, um den Tauben etwas zu erzählen?" Der alte Erbmarschall sah den Verfall seiner Tochter wehmütig mit an, sah die Blüte ihrer Reize merklich abfallen und damit die Hoffnung seiner hohen Entwürfe, welche er darauf gegründet hatte.
Unterdessen zog Hermann Riedesel nach Ritters Brauch und den Sitten jenes Zeitalters umher. Seine Rüstung war schwarz, und auf seinem Schild las man die Worte: „Niemand wird es von mir erfahren, auch selbst bei meinem Tode nicht." Überall ließ er Spuren seiner Tapferkeit zurück, war allemal Überwinder und wollte sich nie zu erkennen geben. Bald war der Ruf des schwarzen Ritters in Kassel und in ganz Deutschland verbreitet, aber niemand konnte erfahren, wer er war. So irrte Hermann Riedesel mehrere Jahre umher, bis ihn sein Herz wieder unwiderstehlich in die Gegend von Kassel zog. Er sah da wie Moses das gelobte Land, diese Stadt, welche seinen würdigen Fürsten und seine Geliebte enthielt, von den Gipfeln der umliegenden Berge mit wehmütiger Sehnsucht an. Der Landgraf belustigte sich öfters mit Jagen. An einem dieser Tage, da eine große Jagd stattfand, welcher der Erbmarschall von Röhrenfurth auch beiwohnte, verließ dieser die Gesellschaft, um an einem einsamen Orte seinen traurigen Gedanken nachzusinnen, denn der Verfall seiner Tochter, hauptsächlich aber die Vernichtung seiner hohen Entwürfe überzogen seine letzten Tage mit dem Schleier der Traurigkeit, vielleicht auch der Reue. In dieser Einsamkeit wurde er von mehreren Zigeunern überfallen. Vergeblich rief er um Hilfe. Er ward geplündert, und eben waren diese Räuber im Begriff, ihn zu ermorden, als Hermann von Riedesel auf diese um Hilfe rufende Stimme herbeieilte. Er zog sein fürchterliches Schwert, und bald erkannte er Margarethas Vater. Wie der Blitz die stärksten Eichen zertrümmert, so fällt der Ritter über die Räuber her, tötet, verwundet und verjagt sie alle. Der Erbmarschall -vom Schrecken und nicht minder von Bewunderung betäubt- fragt, wem er seine Rettung zu verdanken habe und bittet den schwarzen Ritter zu sagen, wie er ihm seine Er-kenntlichkleit bezeigen könne. "Ihr könnt mich reichlich belohnen!" "Und wie?" fiel ihm der Marschall eilig in die Rede. "Gebt mir eure Tochter", erwiderte der Ritter "aber wer anders, als ein echter Ritter kann Anspruch auf ihre Hand erheben?"  Hier öffnete Hermann Riedesel den Helm, und der Erbmarschall erkannte seinen Retter den edlen Mann, welchen er so übel behandelt hatte. Beide umarmten sich. Tränen der Reue, der Dankbarkeit und der Liebe rollten vermengt auf der fürchterlichen schwarzen Rüstung herab. "O Riedesel, o mein Sohn, glaubt ihr, daß ich euch jetzt meine Tochter noch abschlagen werde?" So milde war das harte Herz durch Unglück geworden. So eilten nun beide zu Landgraf Ludwig. Der Alte erzählte diesem mit aller Offenherzigkeit sein grausames und des Ritters edles Betragen. Der dadurch gerührte Fürst freute sich ihrer Freude. Margaretha und Hermann Riedesel wurden bald so glücklich, wie es von solchen edlen Personen, die sich vereinigen, zu erwarten ist. Dieser neue Beweis eines edlen Herzens knüpfte die Freundschaft des Landgrafen und des Ritters noch fester zusammen. Dieser gute Fürst wollte die lebhafte Freude, welche ihm diese Begebenheit verursachte,auch tätig zu erkennen geben und versprach, seinen Freund und dessen Nachkommen mit der Erbmarschallstelle, welche durch den Tod des alten Eckhards von Röhrenfurth erledigt werden würde, zu belehnen.

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