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Willkommen in Röhrenfurth

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Röhrenfurther Bienohmen

© Dorfgemeinschaft
Röhrenfurth

800 Jahre Röhrenfurth (1982)
Geschichte und Geschichten eines Dorfes
Aktualisierte Ausgabe

Über die Röhrenfurther "Bienohmen"

In jedem Ort gibt es einige Familiennamen, die häufiger vorkommen als andere. Um die Familien zu unterscheiden und um zu wissen, wer in seiner Unterhaltung gemeint war, waren und sind zusätzliche Namen (Bienohmen) teils noch heute gebräuchlich. Der Ursprung dieser Namen ist eigentlich recht einfach zu erklären, denn der Beruf, die Lage des Wohnhauses, der frühere FarmS lienname bei einer Einheirat, auch Eigenarten oder die Statur der Namensträger waren die Unterscheidungsmerkmale. Diese Namen hatten eine lange Lebensdauer, sie vererbten sich über Generationen und sind teilweise heute noch geläufig.
Hier nun einige Beispiele:
Da ist zunächst die Sippe Möller/Müller: Im Unterdorf wohnten "Suhrsch", in der Mitte des vorigen Jahrhunderts heiratete ein Möller eine Tochter des Hauseigentümers Sauer (sauer heißt im Dialekt "suhre"); so wurden aus Sauers Suhrsch. Müllers in der Bachstraße wurden "Schrinners" genannt, denn in diesem Hause befand sich mal eine Schreinerei. Aus Möller in der Bachstraße wurden "Reggen", weil in diesem Hause eine Frau mit dem nicht alltäglichen Vornamen Friederike gewohnt hatte.
Dann die Sippe Schanze: Hier sind zu erwähnen "Piffersch", im vorigen Jahrhundert heiratete ein Schanze eine Tochter des Hausbesitzers Pfeiffer; auch hier der mundartliche Ausdruck für pfeifen = piffen; also wurde aus dem Pfeiffer ein "Piffer". Von "Borngreben" weiß kaum ein Röhrenfurther, daß der richtige Familienname Schanze lautet. Ein Schanze heiratete in das Borngrebesche Haus ein (Borngrebe war damals Forstwart in Röhrenfurth) und "übernahm" damit auch diesen Namen. Dann gab es bei den Schanzen noch "d'n Vedder Welläm" (Vetter = Onkel Wilhelm), der wohl von keinem Röhrenfurther mit Wilhelm Schanze gerufen wurde. Er war Stellmacher und Schreiner, galt ein wenig als Original, nahm die Dinge nicht allzu ernst und war auch als "d's Läddchen" bekannt. Wenn seine Schreinerarbeiten nicht so recht passen wollten, dann machte er eben "ein Läddchen" (schmale Latte oder Leiste) dran. Zu den Schanzen gehören auch "Lorenzen" was wohl vom Vornamen Lorenz abgeleitet sein dürfte. Vergessen wollen wir auch nicht den wegen seines trockenen Humors bekannten „kleenen Märden", Martin Schanze. „Kleene" (klein) war bei ihm nicht auf die Körpergröße, sondern auf das Alter bezogen. Er war der Jüngere von zwei Martins in der Verwandschaft und daher von Anfang an „der kleine Martin".
Auch bei der Sippe Steube konnte man nur aufgrund der „Beinamen" den Weg zum richtigen Haus finden. Da gab es den "Schuster-Valten" -Valentin Steube- der von Beruf Schuhmacher war. „Hennrechs Henner" -Heinrich Steube- der von dem Vornamen Henrich, den ein Vorfahre trug, abgeleitet war. Die dritten Steuben hießen "Stewen", was mundartlich Steube bedeutet. Mit zu den ältesten Familien in Röhrenfurth -neben Schanze und Steube- gehören die Nadlers. Da gab es "decke Nadlersch", weil einer der Vorfahren von kräftiger, korpulenter Statur -im Volksmund decke (dick)- war. Die anderen hießen "Pracks", weil, wie man erzählt, einer der Vorfahren alles praktisch fand. Ein Nadler darf nicht unerwähnt bleiben u. zw. der von 1820 bis 1841 amtierende Grebe (Bürgermeister) Johannes Nadler, dessen Familie aus diesem Grunde "Greben" genannt wurde, von diesem Greben, einem Bruder oder Sohn des Johannes Nadler mit Namen Wilhelm stammt der Name „Gräwell-mens" (Greben Wilhelms), der bei den alten Röhrenfurthern noch heute auf dem Hofe Berge (Bettenhausen) ruht.
Von den beiden Höfen Freudenstein war einer "Frerensteens" (mundartlich für Freudenstein) und der andere "Wewers" (Webers), weil ein Freudenstein in das Haus Weber eingeheiratet hatte.
Von der Sippe Schneider, die heute sehr umfangreich ist, nur zwei als Beispiele für die Verwendung eines Berufes oder der Lage des Hauses als Unterscheidungsmerkmal: Zweimal Adam Schneider; der eine wurde "Bohne-Adam" genannt, weil ein Vorfahre im vorigen Jahrhundert bei der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn gewesen war, der andere hieß "Griechenbärgs-Adam", weil das Haus der Familie am Hang des "Kriechenberges" stand.
Von den Kilians behielten die einen ihren Familiennamen, hinter den der jeweilige Vorname gesetzt wurde, um zu wissen wer gemeint war, die anderen wurden jedoch zu "Schmäds" weil sie die Dorfschmiede besaßen. Hätte ein Fremder nach Heinrich Kilian gefragt, es hätte ihm wohl niemand Auskunft geben können, zu "Schmäds-Henner" aber wäre er schon von den Kindern geführt worden.
So ließe sich die Reihe der „Eigennamen" fortsetzen, zu denen auch die Spitznamen gehören. Diese, manchmal verletzenden „Beinamen" gehören aber nicht hierher.
In dieses dörflich mundartliche Bild passen auch die früher in Röhrenfurth gebräuchlichen Straßennamen, die doch überliefert werden sollten. Da gab es und gibt ihn auch noch heute: Den Katzenbach, wie unser Breitenbach auch genannt wird, jedoch nur soweit er durch das Dorf floß (heute kanalisiert). Der „Katzenbach" hat sicher nichts mit unseren Hauskatzen zu tun, deren Junge man in seinem Wasser ertränkt haben könnte (dazu waren die Röh-renfurther viel zu human und außerdem das Wasser des Rinnsals nicht tief genug). An seinen Ufern standen früher -auch im Dorfe- Weidenbäume, deren Blüten im Volksmund „Kätzerchen"=Kätzchen genannt werden. So wurden die Weidenkätzerchen mit den kleinen Katzen in Verbindung gebracht und aus dem Bach mit den Weidenkätzchen der Katzenbach.
Der Name „Jerrengasse" (Judengasse) wie die heutige Grundstraße früher genannt wurde, bedarf keiner Erklärung. Die meisten dieser Häuser waren in der Mitte des vorigen Jahrhunderts im Besitz jüdischer Familien. Wodurch das Gebiet „Hinter den Höfen" zu dem Namen „Millionenviertel" kam, ist ebenfalls leicht erklärt. Um 1890 bauten dort zwei Röhrenfurther Bauunternehmer ihre Häuser; und da ein „Unternehmer" in der damaligen Zeit als reich eingeschätzt wurde und auch ein wenig Neid der anderen damit verbunden war, bekam dieses „Viertel" seinen noch heute geläufigen Namen. Wie die Bergstraße zu ihrem Namen „Kakau" kam und das Sonneneck zur „Seufzerallee" wurde, ist an anderer Stelle der Chronik bereits erklärt worden. Erwähnen sollte man noch „d's Währschgäßchen" in dem die Synagoge stand, das „quer" von der „Jerrengasse" abbog, hochdeutsch Quergasse genannt worden wäre, und das heute „Zum Breitenbach" heißt.

Bliebe noch „d'r Pährewäg" -der Pferdeweg-, ein Teil der Straße nach Schwarzenberg, soweit sie an der „Alten Fulda" entlang führt. Auf ihr führten die Röhrenfurther Bauern ihre Pferde zurück ins Dorf mit denen sie die Fuldaschiffe nach Melsungen „getreidelt" hatten. Da diese heutige Straße damals nur ein schmaler Weg war, wurde er der „Pährewäg" genannt und ist es auch dann noch geblieben, als die Eisenbahn die Fuldaschiffe schon lange verdrängt hatte.

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