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Willkommen in Röhrenfurth

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Aus Büchern und Rechnungen

© Dorfgemeinschaft
Röhrenfurth

800 Jahre Röhrenfurth (1982)
Geschichte und Geschichten eines Dorfes
Aktualisierte Ausgabe

Aus Saalbüchern und Amtsrechnungen
Erste Namen Röhrenfurther Einwohner, Flurnamen, Abgaben der Einwohner, das Ostwalds-Geld, allmählicher Wiederaufbau

Von der Mitte des 16. Jahrhunderts ab erhalten wir auch die ersten authentischen, detaillierten Angaben über die Dorfschaft Röhrenfurth. Die Salbücher (Steuerbücher) der damaligen Zeit, die von den Ämtern und Städten geführt werden mußten, geben uns Aufschluß darüber, wieviel Häuser im Dorf standen, wer die Eigentümer waren, wieviel Steuern sie zu zahlen hatten, wo die Äcker und Wiesen lagen (in welcher Flur), und ob die Eigentümer den Zehnten an die von Riedesel oder die "Allergnädigste Herrschaft" in Kassel zu entrichten hatten.
Unser Dorf hatte laut Salbuch des Amtes Melsungen um 1575 33 Häuser und etwa 200 Einwohner, wenn man mit rd. 6 Personen pro Haus rechnet, was dem damaligen Durchschnitt entsprach. Als Haus- und Grundbesitzer werden die Familien Berge, Fischer, 2 mal Günther, Geyße, Herwig, Mey, Nörper und Schmede genannt, die ihre Grundstücke bei der "Alte Glasehütte" (Hüttengrund), am "Hainbuche", im "Breitenbach", "vorm Steinbeuhel" (Steinmal, Steinwald), beim "Wasserrad" (Claus Wagner zinste um 1650 1/2 Alb. für sein Wasserrad an einer Wiese), "uff der Hunnneburgk" (Hünenburg), "im Schibbers Grund" (Schiffwiese), "über der Kriechnasen" (auf dem Kriegenberg), "im Kesselgraben" hatten oder die "Spittelswiese" (Wiese, deren Zehnter dem Hospital in Melsungen zustand) bzw. das "Kyrichland" (Kirchenland) bewirtschafteten (siehe auch das Kapitel: Lager-, Stück- und Steuerbücher). Es wird auch das "Ostwaldts-Geldt" erwähnt, eine Abgabe der Röhrenfurther Kirche, die die Kastenmeister jeweils zu Michaelis (29. Sept.) mit 1.1/2 Albus in die Renterei nach Melsungen bringen mußten. Man kann annehmen, daß es sich um einen "Zins" gehandelt hat, den die Kirche auf ihren Grundbesitz, das oben erwähnte "Kyrichland" zu entrichten hatte, und daß dieses "Kyrichland" in der Flur am "Ostwald" lag (diese Flurbezeichnung gab es bereits damals). Aus diesem "Ostwaldts-Geldt" ist wohl im Laufe der Zeit der Oswald-Groschen geworden.
Die Liegenschaften der Kirche waren zwar von Abgaben befreit, wurden aber mit ihren "Besserungen" (Zuwachs ab einer bestimmten Zeit) zu der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eingeführten "Türkensteuer" herangezogen. Die "Türkensteuer" war eine "Vermögenssteuer", die zur Finanzierung des Kampfes gegen die Türken, die in Europa eingefallen waren, erhoben wurde. Wie alle einmal ersonnenen und erhobenen Steuern hatte auch die "Türkensteuer" ein zähes, langes Leben und wurde, als die Türkengefahr längst gebannt war, in eine allgemeine Kriegssteuer umgewandelt. Die in Röhrenfurth bekannte Erzählung über den Ursprung des Oswaldgroschens (Strafe für die Verleugnung ihres evangelischen Glaubens im 30jährigen Kriege) ist also eine Legende, eine schöne, aber durchaus glaubhaft wirkende fromme Sage. Hier folgen nun noch die Namen einiger Röhrenfurther Einwohner und die "Zinsen" (heute: Grundsteuer), die sie an die landgräfliche Renterei in Melsungen zu zahlen hatten:
Baltzer Wiederholtt (1 Alb. für die Spitzwiese und Unterm Hainbusch); Hans Lorentz Junge (3.1/2 Alb. für Land unterm Steinbühel); Henrich Minckler (3 Alb. 8 Hl. für Hünebergk — Hüneburgswiese —); Lorentz Junge für die Spittelswiese im Breidenbach; Curt Steube "zinste" 1 Alb. 9 HI.; Debes Klein 3 Alb. 8 HI.; Jacob Lochapfel und Curt Steube 3 Alb. 6 HI.; Johannes Schantz 1 Alb.; Henr. Mey 5 Alb.; Hermann Fischer 5 Alb. für den Steinbergk; Hans Werner 2 Alb. 11 Hl. für's Steinbühel und 11 Hl. vom Weinberg (1650 wird Pflug- und Grundgeld von 4 Stück Äcker am Weinberge Ostwald gezahlt. Ob dort tatsächlich Wein angebaut wurde ?); Cuntze Nörper 1 Alb. 3 Hl. für den Ostwaldt (die Lage der Flurbezeichnung "Ostwaldt" ist mit der heutigen identisch). Außerdem "zinsten" noch: Heinrich Hilgenberg, Heintz Schneider, Hans Nörper, Michel Herwigs Frau, Bernhard Fischer, George Geyß, Henn Berge, Reitze Mey, George Günther, Adam Minckler und Henn Günther.
Hans Werner mußte 2.1/2 Alb. "Besthauptsteuer" entrichten, weil der Vater gestorben war. Die Besthauptsteuer — die damalige Erbschaftssteuer — mußte mit 2.1/2 Alb. "gelöset und erledigt werden, bevor der Cörper in die Erde kommet, wann aber dies versäumet, das Besthaupt thedigen wie die anderen" (dann mußte mehr gezahlt werden).
Außerdem verlangte die landgräfliche Verwaltung noch 33 "Rauch"-Hühner von den Röhrenfurthern, d. h. aus jedem Haus, von dem Rauch aufstieg, mußte ein Huhn als Naturalabgabe geliefert werden. Daraus ist zu entnehmen, daß es 1623, wie bereits um 1585, noch immer 33 Wohnhäuser, aus denen Rauch aufstieg, gab. Die Brandschatzungen des 30jährigen Krieges begannen demnach erst nach 1623.
In der Amtsrechnung des Jahres 1650 lesen wir neue Namen in Röhrenfurth; junge Männer hatten nach Röhrenfurth geheiratet und in den männerlosen Bauernhöfen eine neue Aufgabe und Bleibe gefunden. An Pflug- und Grundgeld wurden insgesamt 3 Reichsthaler, 18 Albus und 10 Heller in die Renterei Melsungen gezahlt. Neu waren die Namen: Harrmann, Deineroth, Kothe, Zelder, Ifridt, Hofmann, Ziegeler und Braun. Fünfzehn Grundbesitzer, davon 13 in Röhrenfurth wohnhaft (die v. Nordeck-Erben und Frau Obrist Bergkhoffer lebten in Melsungen) hatten also einen Pflug, mit dem sie ihren Acker bestellen konnten, über den Krieg gerettet, oder sich einen neuen bauen lassen. Auch in zwei "Regierungs-Ausschreiben" der Fürstlich Hessischen Regierung in Cassell vom 21. April und 26. Juli 1654 wurde darüber Klage geführt, daß Gärten, Äcker und Wiesen verwüstet liegen blieben, und "daß dahero fast niemand einen jungen Baum wieder anziehen, noch sonstet seiner äcker, garten und Wiesen recht nutzen könne". Die Verantwortlichen in den Ämtern, Städten und auf dem Lande wurden angehalten, "bey Vermeidung dero ungnade" mit allen Mitteln darauf hinzuwirken "die hegung der Acker, Wiesen und Garten, beydes vor den Städten und Dörffern wieder in gebührliche observantz zu bringen".
Nur ganz allmählich ging es wieder aufwärts; auch in Röhrenfurth wurden wüst gebliebene Äcker und Wiesen wieder bewirtschaftet und neues Land urbar gemacht und so die landwirtschaftlich genutzte Fläche vergrößert. Zehn Röhrenfurther Familien, die Brigel, Minckler, Fischer, Hofmann, Mey, Beinhewer, Ernst, Wiederholt, Nörper und Günther zahlten insgesamt 1 Rthl. und 11 Alb. Rodegeld in die Renterei Melsungen. Die für die im Krieg zerstörten Häuser fällig gewesenen Steuern in Höhe von 14 Alb. wurden den Betroffenen erlassen. Wie hätten sie auch etwas zahlen können.
Weiter erfahren wir aus dieser Amtsrechnung, daß der Grebe zu Röhrenfurth (der für die landgräflichen Belange zuständige Bürgermeister) 2 Klafter Holz von der Renterei Melsungen aus dem herrschaftlichen Walde angewiesen bekam. Auch der Heyligenmeister (Kastenmeister der Kirche) erhielt ein "Rentgeld" aus Melsungen.
Neben dem "herrschaftlichen" Greben gab es damals noch einen Riedeselschen Greben, der dem Riedeselschen Vogt in Melsungen Rechenschaft schuldig war und auch von dort seine Weisungen erhielt.

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